Römische Geschichte

Der Donaulimes

Durch die weitgehend unkriegerische Eingliederung des keltischen Königreichs Noricum wurde die Donau für fast 500 Jahre zur Nordgrenze des Römischen Reichs und bald auch zu einer Grenze zwischen Völkern und Kulturen. Von Norden drangen Markomannen bis an die Donau vor und verdrängten die bisher dort lebenden Kelten, südlich der Donau wurden diese schrittweise romanisiert. Die an der neuen Grenze entstehende Nachbarschaft von Römern und Germanen bestand schließlich über Jahrhunderte, mit wechselnden friedlichen und kriegerischen Perioden.

Zur Kontrolle und Sicherung dieser Grenze begannen die Römer gegen Ende des 1. Jahrhunderts mit der Anlage des Limes, einer Kette von Kastellen und militärischen Stützpunkten entlang der Donau, verbunden durch leistungsfähige Straßen. Als besonders kritisch wurden offensichtlich das Tullnerfeld und das Wiener Becken angesehen, hier befanden sich etwa die Hälfte aller Stützpunkte am österreichischen Donaulimes und mit einer Sollstärke von etwa 17.000 Mann ein Großteil der Truppen.

Im Schatten der militärischen Präsenz entstand ein florierendes Siedlungswesen mit den Zivilsiedlungen der Kastelle, zahlreichen Gutshöfen und zwei großen Städten im Hinterland, Ovilava / Wels und Aelium Cetium / St. Pölten. Die Kastelle bildeten die Keimzelle für zahlreiche spätere Orte, die grundsätzliche Siedlungs- und Verkehrsstruktur der Römerzeit prägt bis heute die Kulturlandschaft entlang der Donau.

Das Limeskastell Cannabiaca

Als östlichstes Kastell der Provinz Noricum wurde es um 80 n. Chr. auf einer leicht erhöhten Schotterterrasse etwa in der Mitte zwischen den benachbarten Lagern von Tulln und Klosterneuburg angelegt. Mit einer Größe von etwa 2 Hektar war es für eine Kohorte, eine Einheit von 500 Mann, bestimmt, eine teilberittene Hilfstruppe, die ab Ende des 2. Jahrhunderts dem Kommando der 2. Italischen Legion in Lauriacum (Enns) unterstellt war. Der Grundriss des Lagers hat sich bis heute in Form des Kirchenplatzes erhalten.

Wie alle anderen Lager am Limes wurde es zuerst in Holz-Erde-Technik errichtet, einem Geviert aus Erdwällen mit aufgesetzter Holzpalisade und vorgelagertem Graben. In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts erfolgte ein schrittweiser Umbau in Stein, zunächst der Befestigungen, dann der Innenbauten. Baureste aus dieser Phase finden sich in dem unter der Pfarrkirche liegenden zentralen Kommandogebäude.

In der ersten Hälfte des 4. Jahrhundert wurden die Lagerbefestigungen durch massive Eck- und Flankentürme (Fächer- und Hufeisentürme) wesentlich verstärkt. Als einziger ist der nordöstliche Fächerturm in der Römergasse erhalten, ein Rest des südwestlichen Hufeisenturms befindet sich, nicht zugänglich, unter der Volksschule.

In der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts kam es zu einer tiefgreifenden Veränderung der militärischen Struktur am Donaulimes, die stehenden Truppen wurden reduziert und durch milizartige Wehrbauern ergänzt. Diese wurden aus der ehemaligen Zivilsiedlung nun in das Lagerinnere umgesiedelt, für die auf etwa 50 Mann reduzierte Truppe wurde an der Nordwestecke des Lagers ein kleines Kastell, der Burgus, errichtet. Zu gleicher Zeit entstand der festungsartige Umbau des östlichen Lagertors, der spätere „Körnerkasten“. Diese monumentalen Schutzbauten sind erhalten und prägen bis heute das Ortsbild.

Der Verfall des Weströmischen Reichs führte im 5. Jahrhundert zu einer dramatischen Verschlechterung der Situation am Donaulimes. Rom war nicht mehr in der Lage und hatte auch kein weiteres Interesse, die militärische Sicherung der Nordgrenze aufrecht zu erhalten. In einer letzten großen Operation wurde 488 n. Chr. die noch verbliebene provinzialrömische Bevölkerung nach dem Süden umgesiedelt und damit die Provinz Ufernorikum aufgegeben. Wäre das nicht geschehen, würde die romanische Sprachgrenze heute vielleicht an der Donau verlaufen.

Die Erwähnung eines Kohortenkommandanten (tribunus cohortis) in der um 425/430 n. Chr. entstandenen Notitia Dignitatum und ein Fund von Münzen aus der Zeit Valentinians III. (425 – 455 n. Chr.) deuten darauf hin, dass Cannabiaca / Zeiselmauer bis gegen Ende der Römerzeit besiedelt war. Nach dem Abzug der Romanen blieb der Ort bis ins 9. Jahrhundert unbewohnt.

Vicus (Zivilsiedlung)

Der Vicus von Cannabiaca erstreckte sich auf der von der Donau abgewandten Seite südlich und südöstlich des Kastells. Die heutige Königstettner Straße und die Wienerstraße entsprechen römischen Straßen, die das Kastell mit der weiter südlich verlaufenden Limesstraße verbanden. An einem damals nahe an das Kastell heranreichenden Donauarm befand sich eine Schiffsanlegestelle.

Im Vicus lebten etwa 500 Menschen, meist Soldatenfamilien, Veteranen, Handwerker und Händler. Viele betrieben eine kleine Landwirtschaft. Die Parzellen maßen etwa 10 x 50 Meter, die meisten Häuser waren Steinbauten, einige mit Warmluftheizung und bemalten Innenwänden. An der heutigen Bahnstraße lag ein ansehnliches Gehöft mit 60 cm starken Fundamentmauern, dort gefundene Hausratsgegenstände sind im Römischen Schauraum ausgestellt. Außerhalb des Vicus befand sich an der Königstettner Straße ein Gräberfeld, das bis in das 4. Jahrhundert belegt wurde.

Im ausgehenden 4. Jahrhunderts kam es wie überall am Donaulimes zu einer deutlichen Reduktion der militärische Besatzung, für die verbleibende Resttruppe wurde eine Kleinfestung, der Burgus, errichtet. Die Zivilbevölkerung übersiedelte nun in das Kastell, um hinter den Mauern Schutz zu suchen. Der Vicus wurde verlassen und aufgegeben. Im bisherigen Siedlungsgebiet an der Wienerstraße fanden nun Beerdigungen statt, was bis dahin nicht möglich gewesen wäre.

Der Vicus ist von der neuzeitlichen Verbauung überlagert und daher nur punktuell erforscht.

Virtuelle Rekonstruktion auf Video: Cannabiaca, die Zivilsiedlung des Limeskastells von Zeiselmauer

Truppen

Zwei Truppeneinheiten aus Cannabiaca sind namentlich bekannt und durch Funde nachgewiesen:

Die 5. Breucorer Kohorte (Cohors V Breucorum), sie stammte wahrscheinlich aus Pannonien und war auf den Ausbau von Militärlagern spezialisiert. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts war sie am Norischen Limes an mehreren Standorten tätig, u. a. in Zeiselmauer, Zwentendorf, Wallsee-Sindelburg.

Die 2. Thrakische Kohorte (Cohors II Thracum), war vermutlich die Nachfolgerin der 5. Breucorer Kohorte. Sie ist durch die Stiftung des „Weihesteins“ 164 n. Chr. nachgewiesen. Es ist die einzige Erwähnung dieser Truppe in Noricum. Ihre Regimentsgeschichte ist beeindruckend: Ursprünglich aus Thrakien (südöstliches Bulgarien) stammend, war sie zunächst am germanischen und am niederrheinischen Limes stationiert, anschließend in Britannien, wurde um die Mitte des 2. Jahrhunderts von dort an den Donaulimes nach Cannabiaca verlegt und kehrte um die Mitte des 3. Jahrhunderts wieder nach Britannien zurück, wo sie bis zum Ende des Römischen Reichs nachweisbar ist.

Der auf einer Grabstele verewigte Aelius Aemilius war höchstwahrscheinlich ein Veteran dieser 2. Thrakischen Kohorte. Er war Römer, seine ebenfalls dort genannte Gattin mit dem keltischen Namen Amuca ist durch ihre Tracht als Einheimische erkenntlich. Aus solchen Verbindungen entstand im Lauf der Zeit die provinzialrömische Bevölkerung dieser Region.

Beide Steindenkmäler sind im Römischen Schauraum ausgestellt.

Ortsname

Die Identifizierung des römischen Ortsnamens ist nicht durch einen Inschriftenfund gesichert, sondern beruht auf Interpretation der mitunter widersprüchlichen antiken Orts- und Entfernungsangaben. Lange Zeit wurde das im Itinerarium Antonini und in der Legende des Hl. Florian erwähnte Cetium für Zeiselmauer angenommen. Als Ende des 19. Jahrhunderts erkannt wurde, dass Cetium in St. Pölten zu lokalisieren ist, wurde das in der Vita Severini genannte Asturis für Zeiselmauer ins Spiel gebracht. Auch dieses schied aus, als durch Ziegelfunde im Kastell Zwentendorf wahrscheinlich wurde, dass Asturis dort zu suchen ist. Damit war entschieden, dass nur das in der Notitia Dignitatum als östlichstes Lager in Noricum genannte Cannabiaca für Zeiselmauer in Betracht kam.

Forschungsgeschichte

In Zeiselmauer wurde schon früh eine römische Siedlung vermutet, allerdings nicht im Ortszentrum, sondern außerhalb, in Richtung St. Andrä. In den dortigen Feldern waren häufig Mauerreste gefunden worden, die der Flur den Namen „Steinfeld“ eintrugen und die als Relikte des antiken Cetium gedeutet wurden. Im Ortszentrum hingegen wurden keine römischen Bauten vermutet, die dortigen alten Mauern und Befestigungen waren stets als mittelalterlich und wenig bedeutend angesehen worden.

Erst in den 1960er Jahren wurde erkannt, dass die Lage dieser Bauten in den Grundriss eines römischen Kastells passte und die alten Grundgrenzen dessen Umrisse widerspiegelten. Beginnend mit 1969 führte das Bundesdenkmalamt zahlreiche Grabungen durch, die das Vorhandensein des Kastells im Ortszentrum bestätigten, die „Römermauern“ als spätrömischen Burgus und den „Körnerkasten“ als antikes Kastentor identifizierten und 1981 das bis dahin unbekannte Kommandogebäude mit Fahnenheiligtum unter der Pfarrkirche freilegten. Die alten Baureste des „Steinfeldes“ konnten dem Lagerdorf des Kastells zugeordnet werden.

Die Grabungen erbrachten auch zahlreiche Fundstücke, eine Auswahl wird im Römischen Schauraum präsentiert.

Mehr über die römische Geschichte von Zeiselmauer

Cannabiaca – Das römische Zeiselmauer

Cannabiaca – Das römische Zeiselmauer

Konrad Schröder

Verein „Freunde von Zeiselmauer“ (Hrsg.)
40 Seiten, 3. ergänzte Auflage, Zeiselmauer 2013
Informativer Überblick zur Einführung, leicht zu lesen, reich bebildert

Das Limeskastell von Zeiselmauer Cannabiaca

Das Limeskastell von Zeiselmauer Cannabiaca

Konrad Schröder

Verein „Freunde von Zeiselmauer“ (Hrsg.) 80 Seiten, Zeiselmauer 2012 Profunde Zusammenfassung der Forschungsgeschichte des römischen Zeiselmauer, aktueller und detaillierter Stand des Wissens.

Jede dieser Broschüren ist zum Preis von € 10,- direkt erhältlich im:

Gemeindeamt Zeiselmauer-Wolfpassing, Bahnstraße 6

oder auf Bestellung: kontakt@freundevonzeiselmauer.at zuzüglich Versandspesen.

Literatur zum Donaulimes:

www.limes-oesterreich.at
The Frontiers of the Roman Empire (FRE) Project
Der Römische Limes in Österreich
Institut für Österreichische Geschichtsforschung Universität Wien
Darin: Zeiselmauer / CANNABIACA

Verena Gassner – Andreas Pülz (Hrsg.) Der Römische Limes in Österreich
Führer zu den archäologischen Denkmälern Österreichische Akademie der Wissenschaften Wien 2015
Darin: René Ployer Zeiselmauer – Cannabiaca

René Ployer Der norische Limes in Österreich
Bundesdenkmalamt, Fundberichte aus Österreich,
Materialhefte Reihe B, Bd. 3, 2013
Wien 2013
Darin: Kastell Zeiselmauer